«Der Brückenschlag» Pendeln zwischen 1919 und heute oder Armin Günters spannende Geschichte des Brückenbaus von Eglisau in den Jahren 1917 - 1919.
Alle, die zwischen Schaffhausen und Zürich pendeln oder ennet der Grenze einkaufen, kennen die Strassenbrücke von Eglisau. Doch es wäre zu viel verlangt, wenn man sich bei der Fahrt durch das Nadelöhr beim Städtchen fragen würde: Was ist eigentlich die Geschichte dieser Brücke? Was denken die Zeitgenossen über das wichtigste Bauwerk der Stadt am Rhein?
Armin Günter, pensionierter, immer noch aktiver Bauingenieur, hat den schicksalshaften Bau des Brückenschlags recherchiert und veröffentlicht jetzt sein Buch, das weit über die Fragen der damaligen Ingenieurleistung hinaus geht. Der Autor, der die Schriftstellerei als neues Hobby in der Freizeit pflegt, hat für sein Vorhaben die Form des historischen Romans gewählt. So beginnt seine Geschichte der Brücke überraschenderweise am Bahnhof Chiasso, wo ein junger Italiener im Jahr 1918 per Zug die Grenze passiert, weil er dem sinnlosen Kriegsgemetzel, das ihm droht, entgehen und in der Schweiz arbeiten will.
In der Folge frühstücken wir mit ihm und andern Maurern in Eglisau gesottene Kartoffeln und Hafermus, erleben, wie Steinmetze im Licht von Petrollampen Quader für den Bau der Brücke herrichten. Oder sehen zu, wie Zimmerleute auf abenteuerliche Weise das Lehrgerüst erstellen. Der Autor hat ein Flair für die genaue Schilderung des Alltags. Und natürlich versteht er es als Bauingenieur, uns die Konstruktion der 130m langen Bogenbrücke aus Beton und mit Sandstein verkleideten Mauern nahe zu bringen. Der Stahl konnte nur dank eines militärisch-politischen Kuhhandels während des tobenden Weltkriegs von Deutschland bezogen werden.
Doch das Buch erzählt nicht nur aus einer fast 100 Jahre zurückliegenden Zeit. Der Autor hat einen zweiten Erzählstrang in die Historie eingewoben, in welchem uns das heutige Eglisau nahegebracht wird mit einer genauen Beschreibung von Gewerbebetrieben und Läden und einer spannenden Spurensuche in Tauchgängen im Rhein: Die Brücke verdankt ihren Bau während des Ersten Weltkriegs nämlich der Stauung des Rheins durch das gleichzeitig erstellte Flusskraftwerk Eglisau bei Rheinsfelden, dem wegen des Aufstaus bis nach Eglisau Ortsteile geopfert wurden. Ein Verlust, den viele Bewohner, wie im Buch anschaulich erzählt wird, nur schwer verwinden konnten.
Die Gespräche zwischen alten und jungen Eglisauern in der heutigen Zeit tragen viel zur lebendigen Gestaltung in dem Buch bei, in welchem Familien und Arbeiter, Junge und Alte, einander zugetan sind und eine warmherzige Atmosphäre herrscht, die sich auf den Leser überträgt. Auch das Projekt einer Umfahrung, das seit über 30 Jahren gewälzt wird, findet Erwähnung. Bis diese neuste Brücke dereinst gebaut wird, bleibt die 130-m-Strassenbrücke mit den drei eleganten Bogen, was sie seit 96 Jahren ist: ein vielgenutzter Brückenschlag über den Rhein und wichtiger Zeuge aus der Zeit geschichtlicher Umwälzung in Europa.
Thomas Rüst, herzlichen Dank!